Urlaubsgeld /Weihnachtsgeld Rechtslage - Übersicht von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Sakowski
1. Einleitung
Bei Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld (sog. Gratifikationen) handelt es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers. Rechtsprobleme ergeben sich in der Praxis vor allem in zweierlei Hinsicht. Zum einen stellt sich die Frage, ob es eine Art "Besitzstandsschutz" für Arbeitnehmer gibt, denen jahrelang Gratifiktationen gezahlt wurden und denen sie nunmehr gekürzt oder gestrichen werden sollen. Man spricht insoweit von einer "betrieblichen Übung". Zum anderen ist vor dem Hintergrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fraglich, ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitgeber Ungleichbehandlungen bei den Zahlungen vornehmen darf.
2. Ungleichbehandlung
a) Art der Beschäftigung
Einschlägig ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.10.1998 (9 AZR 299/97). Im zugrunde liegenden Fall richtete sich die Klage gegen den Inhaber eines Fruchtgroßhandels. Dort waren verschiedene Gruppen von Beschäftigten tätig. Die Lagerarbeiter und Kraftfahrer erhielten seit Jahren 500 DM Urlaubsgeld und 1.000 DM Weihnachtsgeld. Die kaufmännischen Angestellten erhielten statt dessen im Dezember ein zusätzliches Monatsgehalt. Dagegen wurden die ungelernten Obstsortiererinnen im Dezember nur mit einer Steige Obst und einer Flasche Kirschlikör bedacht.
Eine Obstsortiererin verlangte Gleichbehandlung mit den Lagerarbeitern und Kraftfahrern. Das BAG gab ihr recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung zusätzlichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für die letzten Jahre. Zur Begründung beruft sich das Gericht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet sachfremde Gruppenbildungen bei Beschäftigten. Die Vorinstanz hatte einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung bejaht. Dort hieß es, Lagerarbeiter, Kraftfahrer und kaufmännische Angestellte müssten länger eingearbeitet und eine rasche Fluktuation müsse verhindert werden. Deshalb sei das betriebliche Interesse an dieser Beschäftigtengruppe größer.
Dem widerspricht das BAG. Erhöhte Aufwendungen in der Urlaubs- und Weihnachtszeit fallen gleichermaßen fuer Obstsortierer als auch für die übrigen Beschäftigten an. Wenn sich der Arbeitgeber generell für die Zahlung betrieblicher Gratifikationen entscheide, könne er nicht einfach eine Beschäftigtengruppe übergehen. Unterscheidungsmerkmale - wie hier das Kriterium der Betriebstreue - werden für eine Gruppenbildung nur dann berücksichtigt, soweit sie den Arbeitnehmern erkennbar waren oder vom Arbeitgeber offengelegt wurden. Das sei hier erst im Prozess und mithin zu spät geschehen.
Umfang der Beschäftigung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in einem Urteil vom 24.5.2000 (10 AZR 629/99), dass die Teilzeitbeschäftigten benachteiligt werden, wenn das Weihnachtsgeld per Tarifvertrag um einen Betrag gekürzt wird, der für Voll- und Teilzeitkräfte identisch ist. Darin sehen die Richter einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des ?2 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes (BeschFG). Im zugrunde liegenden Fall hatte der Tarifvertrag bestimmt, dass "zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit" das Weihnachtsgeld pauschal bei allen Mitarbeitern um 1.000 DM gekürzt wird. Das stand im Widerspruch zum Manteltarifvertrag. Dieser bestimmte, dass Teilzeitbeschäftigten eine anteilige Sonderzuwendung zusteht, deren Höhe sich nach dem Verhältnis ihrer vertraglichen zur tariflichen Arbeitszeit bestimmt. Das Gericht meinte, diese Formel müsse auch bei einer Kürzung zur Anwendung kommen.
c) Elternzeit
Nach Ansicht des BAG (Urteil v. 12.1.2000 - 10 AZR 840/98) kann eine Angestellte, die sich in der Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub) befindet, von der Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ausgenommen werden. In zugrunde liegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag eine Klausel, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird und keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Zur Begründung heißt es, dass der Arbeitgeber durch den arbeitsvertraglichen Vorbehalt der Freiwilligkeit die Möglichkeit hat, jedes Jahr aufs Neue zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er Weihnachtsgeld bezahlt. Die Mitarbeiter müssen in diesem Falle damit rechnen, dass bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern von dieser Leistung ganz ausgeschlossen werden. Dies stelle wegen sachlich gerechtfertigter Ungleichbehandlung keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Es sei sachlich gerechtfertigt, Mitarbeiter auszuschließen, die sich in der Elternzeit befinden. Denn bei der Gratifikation handele es sich um eine zusätzliche Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung und um eine Belohnung für die Betriebstreue. Im Erziehungsurlaub ruhe dagegen das Arbeitsverhältnis.
d) Geschlecht
Durch Urteil vom 9.9.1999 (Az. C 281/97) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Tarifvertragsklauseln, die bestimmen, daß Weihnachtsgeldzahlungen in Höhe eines Monatsgehaltes nicht für geringfügig Beschäftigte gelten, jedenfalls dann gegen das Diskriminierungsverbot des EU-Rechts verstoßen, wenn deshalb in der Praxis wesentlich mehr in den Tarifvertrag einbezogene Frauen als Männer kein Weihnachtsgeld erhalten. Darin sehen die Richter eine unzulässige Diskriminierung geringfügig beschäftigter Frauen gegenüber vollzeitbeschäftigten Männern. Als Bewertungsgrundlage dient die Europäische Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Hier wie in Art. 141 des Amsterdamer Vertrages gilt das Gebot gleichen Entgelts bei gleicher Arbeit. Nach groben Schätzungen beträgt in Deutschland der Frauenanteil bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen insgesamt 75%. Allerdings sind keine Statistiken verfügbar, für wie viele geringfügig Beschaeftigte das Urteil konkrete Auswirkungen entfaltet.
3. Praxistipp
Aus Arbeitnehmersicht ist der Richterspruch zu begrüßen. Zu beachten ist allerdings, dass das Weihnachtsgeld aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zum monatlichen Arbeitsentgelt hinzuzurechnet wird. Das könnte bei nicht wenigen 630 DM-Jobbern dazu führen, dass die Grenze geringfügiger Beschäftigung überschritten wird. Die Folge wäre eine Anwendbarkeit der Regeln für Vollzeitbeschäftigte. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.8.1994 (12 RK 59/92) nutzt es auch nichts, wenn der Beschäftigte auf das tarifvertraglich zustehende Weihnachtsgeld verzichtet (danke an Herrn Sven Knoop für diesen Hinweis). Vom Tarifvertrag abweichende Regelungen gelten nur dann, wenn sie zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen. Der Arbeitgeber war im entschiedenen Falle versicherungspflichtig, obwohl der Beschäftigte nie Weihnachtsgeld erhalten hatte.
Aus dieser Sicht kann es für Betroffene sogar ratsam sein, sich gegen den tarifvertraglichen Ausschluss nicht zur Wehr zu setzen. Für Arbeitgeber kann es ratsam sein, mit dem Beschäftigten ein Entgelt zu vereinbaren, das auch unter Berücksichtigung tariflicher Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen die durchschnittliche 630 DM - Grenze nicht übersteigt.
4. Weiterführende Beiträge
Wie eine betriebliche Übung auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld entstehen kann, wie man sie als Arbeitgeber wieder beseitigt und wie sie von vornherein gar nicht entstehen kann, erläutert der Beitrag arb-r16.
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