GEBURTENRÜCKGANGForscher bezeichnen Angst vor Überalterung als unbegründetJe reicher ein Land, desto weniger Kinder werden geboren. Diese Aussage stimmt nach Ansicht von US-Forschern nur bedingt: Sie haben analysiert, dass die Geburtenrate in Nationen mit sehr großer Wirtschaftskraft, hoher Lebenserwartung und gutem Bildungsgrad wieder zunimmt.
London - Die Meldung ist erst drei Tage jung: Während die Menschen in ganz Europa wieder mehr Kinder kriegen, sinkt die Geburtenrate in Deutschland weiter. Das klingt eigentlich paradox, denn wenn es den Menschen immer besser geht, könnten sie ja auch gut mehr Kinder versorgen. Doch in Deutschland geht die Angst vor Überalterung um.
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Babys beim Bad: Bei hohen HDI-Werten nimmt die Gebärfreudigkeit wieder zu
Diese Befürchtung oder gar die Angst vor dem Aussterben der eigenen Bevölkerung sei unbegründet, schreiben US-Forscher jetzt im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Bd. 460, S. 741). Werde ein bestimmter Grad ökonomischer Entwicklung erreicht, drehe sich der Trend wieder um. In den USA und den Niederlanden steige die Geburtenrate bereits wieder leicht an.
Die Wissenschaftler um Hans-Peter Kohler von der Universität Pennsylvania in Philadelphia analysierten für ihre Studie Daten aus 24 Ländern und aus den Jahren 1975 und 2005. Sie erfassten jeweils die Geburtenrate und den zwischen 0 und 1 liegenden "Human Development Index" (HDI), der Wirtschaftskraft, Lebenserwartung und Bildungsgrad der Menschen eines Landes berücksichtigt.
Mit steigenden HDI-Werten verzeichneten die Statistiken sinkende Geburtenraten, schreiben die Forscher. Bereits mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit lebe in Regionen, in denen die Geburtenrate unterhalb des Wertes liege, der zum Erhalt der Bevölkerungszahlen nötig sei. In vielen hochentwickelten Ländern scheine der Trend zu immer weniger Kindern bereits unumkehrbar und eine fatale Überalterung unausweichlich.
Dieser Gesamteindruck trüge jedoch, betont Kohlers Team. Bei sehr hohen HDI-Werten nehme die Gebärfreudigkeit wieder zu, die Geburtenrate steige wieder langsam, aber stetig. Nach einer Talsohle bei einem HDI von etwa 0,85 bis 0,9 gehe es wieder aufwärts mit der Fortpflanzung. Die hochentwickelten Industrieländer müssten demnach möglichst viel tun, um den Index ihrer Bevölkerung weiter anzuheben - also in Bildung, Gesundheit und Arbeitsplätze investieren. Voraussetzung sei zudem eine familienfreundliche Politik, die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau achte.
MEHR ÜBER...Trotz der hoffnungsvoll stimmenden Analyse sei aber auch bei weiter steigenden HDI-Werten für die meisten Staaten nicht zu erwarten, dass die Geburtenrate über den für stagnierende Bevölkerungszahlen nötigen Wert steigt. In einigen Ländern verlangsame sich die Überalterung möglicherweise auch nur. Dem könne lediglich eine verstärkte Einwanderung entgegenwirken .
Der "Human Development Index" für Deutschland lag dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge im Jahr 2006 bei 0,940. Mehr als 20 Industrieländer wie Island, Norwegen, Australien und Kanada rangierten mit ihren Werten teils weit darüber. hei/dpa