Eine Studie zu Chancengerechtigkeit in der Studienfinanzierung ergibt: Wegen Geldsorgen verzichten viele Abiturienten auf ein Studium, Studenten denken über einen Abbruch nach.
Für Abiturienten in Deutschland sind Probleme bei der Finanzierung das Hauptargument gegen die Aufnahme eines Studiums. Studenten mit Finanzierungsproblemen erwägen deutlich häufiger einen Studienabbruch als Kommilitonen ohne entsprechende Sorgen. Die Chancen auf finanzielle Unterstützung durch Stipendien werden von Studienanfängern als gering eingeschätzt. Dies sind nur einige der Ergebnisse der Studie „Chancengerechtigkeit in der Studienfinanzierung?“.
Die repräsentative Umfrage unter 4000 Abiturienten und Studenten in den ersten Semestern wurde im April 2009 durchgeführt. Sie hat ergeben, dass der Studienwunsch in Deutschland in alarmierend vielen Fällen an hohen Kosten und Finanzierungsproblemen zu scheitern droht.
Angst vor Schulden
Über zwei Drittel (69 Prozent) aller studierwilligen Abiturienten befürchten hohe finanzielle Belastungen während des Studiums. Gut jeder Dritte (36 Prozent) ist besorgt wegen möglicher Schulden, die später zurückzuzahlen sind. Die Studienabsicht wird erheblich dadurch beeinflusst, wie man die Finanzierbarkeit des Studiums einschätzt. Während 79 Prozent der Befragten, die keine Finanzierungsprobleme erwarten, fest beabsichtigen, zu studieren, sind es unter jenen, die entsprechende Probleme erwarten, nur 44 Prozent.
Bei Studenten können finanzielle Belastungen in vielen Fällen zum Studienabbruch führen. 32 Prozent der befragten Studenten denken derzeit über einen solchen Abbruch nach oder haben bereits einmal darüber nachgedacht. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, in welch erheblichem Maß die sozialen Hintergründe einen möglichen Studienabbruch determinieren: Jeder zweite Student (53 Prozent) mit Finanzierungsproblemen zieht einen Abbruch in Erwägung. Bei Studenten ohne finanzielle Sorgen gilt dies nur für jeden Fünften (20 Prozent).
Gerechter Zugang zu Bildung ein Schlüsselthema
Stipendien spielen bei der Studienfinanzierung eine geringe Rolle. Nur vier Prozent der befragten Studenten gaben an, Stipendiengelder zu beziehen. Die Chancen auf den Erhalt eines Stipendiums werden sehr pessimistisch eingeschätzt: 78 Prozent der Studenten mit größeren Finanzierungsproblemen haben sich noch nie um ein Stipendium beworben. Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks, sagte gegenüber Welt Online aber auch: „Offenbar sind die Stipendienangebote noch immer zu wenig bekannt, die Botschaft dringt nicht zur Zielgruppe durch.“ Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) kritisierte im selben Medium, dass sich viele Studenten gar nicht erst um ein Stipendium kümmern: „Hier wird deutlich, dass einerseits viel Klage geführt wird, tatsächlich aber die vorhandenen Möglichkeiten nicht hinreichend genutzt werden.“ Auch die Hochschulen selbst sollten jedoch auf die Chance einer Studienfinanzierung hinweisen.
Zwischen Stipendienvergabe und sozialer Herkunft besteht ein bedenklicher Zusammenhang: Die Studie zeigt, dass die Bewerbungen von Studenten aus bildungsfernen Schichten sowie von Studenten, denen die Finanzierung ihres Studiums schwerfällt, unterdurchschnittlich erfolgreich sind.
Unterstützung aus Politik und Wirtschaft gefordert
Rüdiger Schulz vom Institut für Demoskopie Allensbach, das die Studie im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerks erstellt hat, erklärt: „Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung ist ein Schlüsselthema für die Zukunft Deutschlands. Die vorliegende Studie enthält wesentliche neue Erkenntnisse, von denen wir hoffen, dass sie wichtige Impulse für die fortlaufende Diskussion über Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem setzen werden.“
Der Vorsitzende des Reemtsma Begabtenförderungswerks, Michael Wenzel, ergänzt: „Die Umfrageergebnisse machen deutlich: Die große Bedeutung des Faktors ´Finanzierung´ in der Entscheidung junger Leute für oder gegen ein Studium ist ein gesellschaftliches Problem. Aus Sicht der Betroffenen ist die Politik, aber vor allem auch die Wirtschaft gefordert.“